Dialog mit einem Coaching-Klienten über Selbstwert, neue Denkmuster und den geschmeidigen Umgang mit inneren Widerständen:
Herr Meier (Name geändert) fühlt sich nicht wohl in seiner Haut. Jede Zelle seines Körpers strahlt Unzufriedenheit aus. Sein Glaubenssystem erweist sich als hartnäckig, in unseren Sitzungen dringe ich nicht richtig zu ihm durch. Er vermeidet es, sich mit seinen Gefühlen auseinanderzusetzen. Sobald ich neue Denkmuster vorschlage, die mit seinen alten Zwängen konkurrieren, weicht er aus. Daher frage ich Herrn Meier eines Tages frei heraus, mitten ins Herz:
„Haben Sie es verdient, glücklich zu sein?“
Diese Frage überrascht ihn. Er zieht das Kinn hoch und legt die Stirn in Falten. „Na ja, ich denke schon“. Dabei lächelt er mich fragend und unsicher an.
„Sie denken. Und was fühlen Sie?“
Herr Meier weicht meinem Blick verlegen aus und holt tief Luft. Er zweifelt: „Ich fühle mich, als sei ich es nicht wert. Auch zu meiner Frau sage ich immer, dass ich sie nicht verdient habe. Dass sie zu gut für mich ist.“
„Was müsste denn passieren, damit Sie es verdient hätten, glücklich zu sein?“
“Wenn ich genug leisten würde, hätte ich es verdient. Ich kann mich aber nur schwer über Erfolge freuen. Da kommt immer sofort ein ‚Ja, aber’! Dagegen kann ich nichts machen. Auch wenn mich jemand lobt, hält das gute Gefühl nur kurz an und in Zukunft muss ich mich weiter anstrengen. Ich muss einfach funktionieren. Mehr als das, ich muss 130 Prozent geben. Sonst bin ich ein Versager.”
An diesem Punkt entschließe ich mich, einen bewährten Trick aus meiner Psychologenkiste einzusetzen. Dieser Trick besteht darin, Menschen mit geringem Selbstwertgefühl so weit zu bekommen, dass sie sich selbst genau so gut behandeln wie die wichtigsten und liebsten Menschen in ihrem Leben. Herr Meier hat zwar keine Kinder, wünscht sich aber welche. Also frage ich ihn:
„Nehmen wir einmal an, Sie hätten bereits einen Sohn. Wie würden Sie mit Ihrem Sohn sprechen? Was würden Sie ihm sagen, wenn er unglücklich ist und auf die Glücksfrage mit ‚Ja, aber’ antwortet?“
„Ich würde ihm sagen: Natürlich hast du verdient, glücklich zu sein. Er hat ja auch etwas dafür geleistet! Er darf stolz darauf sein und glücklich.“
Das ist ein guter Anfang, denke ich im Stillen. Doch die Bedingung ist noch immer, “etwas zu leisten”. Ich ändere also das Szenario und frage ihn, wie das Ganze ohne Leistung aussehen würde:
„Was wäre, wenn – Gott bewahre – Ihr Sohn mit einer Behinderung geboren wäre? Und deshalb nichts Großes leistet? Darf er sich trotzdem gut fühlen?“
„Ja natürlich würde ich wollen, dass es ihm gut geht. Und dass er glücklich ist.“
„Aber er hat doch nichts geleistet. Ist er es trotzdem wert? Darf er wirklich glücklich sein?“
„Ja!“
„Warum denn?“
Hier braucht er eine längere Pause zum Nachdenken und Nachspüren. Schließlich kommt er auf die Antwort:
„Weil er ein Mensch ist.“
„Ah! Weil er ein Mensch ist. Anders ausgedrückt: Weil er einfach ist. Einfach so.“
„Einfach so?“
„Einfach so!“
Selbstwert – einfach so!
Ich habe Herrn Meier nur wenige Wochen begleitet, konnte aber in dieser kurzen Zeit eine erhebliche Besserung seiner psychischen Verfassung erkennen. Natürlich fiel er anfangs gelegentlich zurück in sein altes Denkmuster, das ihn schon Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, begleitete. Solche Muster sind im Gehirn stabil verankert und verschwinden nicht einfach über Nacht. Darum geht es auch nicht. Es geht darum, bessere, neue Denkmuster aufzubauen.
Verliere nicht den Mut, wenn auch dich mal negative Gedanken plagen. Es kann sich zäh anfühlen, wenn alte und neue Denkmuster miteinander ringen. In dieser Lage brauchst du eine wirksame Strategie. Sie besteht darin, neue Denkmuster zu akzeptieren, zu hegen, zu pflegen, zu füttern und zu trainieren. Wiederholung ist die Mutter des Erfolgs.
Im Folgenden zeige ich dir, wie du dein Denken konkret verändern kannst.
Neue Denkmuster vertreiben alte Zweifel und innere Widerstände
Negative Gedanken brauchen nicht zu verschwinden. Es genügt schon, wenn du ihnen die Aufmerksamkeit entziehst und sie stattdessen auf neue Denkmuster richtest. Positive Denkmuster! Dein Gehirn speichert es, wenn du einem Gedanken Beachtung schenkst. Egal, ob er gut oder schlecht für dich ist. Mache dir bewusst, welche Wirkung deine Gedanken auf dich haben. Sie laufen auf Schienen, aber du stellst die Weichen!
Nehmen wir an, du hast einen positiven Gedanken, der deinen Selbstwert fördert, etwa: „Ich habe es verdient, glücklich zu sein.“ Du könntest nun zu dir sagen:
- „Ja, das ist ein guter Gedanke. Er hilft mir dabei, gesundes Selbstvertrauen zu entwickeln. Ich entscheide mich dankbar dafür, an diesen Gedanken zu glauben.“
Nehmen wir an, du hast einen negativen Gedanken, der deinen Selbstwert ins Wanken bringt, etwa: „Wenn ich bei XY versagt habe, habe ich als Mensch versagt. Ich muss Leistung bringen, damit ich okay bin!“ Diesem Gedanken könntest du fortan entgegenhalten:
- „Dieser Gedanke bringt nichts und hilft mir nicht dabei, mein Ziel zu erreichen. Er wird vorüber gehen. Ich wende meine Aufmerksamkeit jetzt lieber etwas anderem zu.“
- Oder: „Ich akzeptiere, dass der Gedanke da ist und sich unangenehm anfühlt. Aber ich entscheide mich, ihm keine weitere Bedeutung beizumessen. Es ist nur ein Gedanke. Ein Gedanke von vielen.“
- Oder: „Das ist mein altes Denkmuster, ich habe es auf frischer Tat ertappt! Zum Glück muss ich nicht alles glauben, was ich denke. Es steht mir frei, zu glauben, was ich will.“
Schärfe deine Wahrnehmung für deine alten und neuen Denkmuster und begegne dir selbst gewaltfrei und wohlwollend. Gibt es einen besseren Trick? Ich kenne jedenfalls keinen. Dich selbst zu verurteilen und anzuschreien („Nein, hau ab du blöder Gedanke, du kostest mich meinen letzten Nerv!“ „Ich hasse mich dafür, dass ich so schlecht von mir selbst denke!“) ist übrigens keine Alternative. Das funktioniert nicht.
In manchen Momenten ähnelt das Gehirn einem Kind an der Supermarkt-Kasse, das Süßigkeiten haben will. Schenkst du dem Geschrei Beachtung, bestärkst du das Verhalten des Kindes und es wird in Zukunft noch schlimmer. Gehst du aber gelassen mit der Situation um, ohne etwas gegen das Geschrei zu unternehmen, geht es vorüber und tritt immer seltener auf.
Genauso ist es mit dem inneren Geschrei. Schenkst du deinen Fehlern und Selbstvorwürfen große Beachtung, stehen sie in deiner Welt im Rampenlicht. Betrachtest du sie aber gelassen und akzeptierst sie, ohne sie aktiv zu bekämpfen, werden sie verblassen und irgendwann ganz verschwinden.
Fakt ist auch: Deine negativen Gedanken – wie auch immer sie für dich lauten – stammen meist aus deiner Vergangenheit und dort gehören sie auch hin. Es ist gut möglich, dass deine negativen Gedanken damals sogar eine Daseinsberechtigung hatten. Aber haben sie die noch? Vermutlich nicht.
Bedenke: Das, worauf du dich konzentrierst, wird mehr.
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